Die große Spaltung – Steinmeier und sein Buch

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Frank-Walter Steinmeiers neues Buch "Wir" forciert die Spaltung der deutschen Gesellschaft. Wir Patrioten sollten nicht länger um die Gunst des Establishments buhlen, sondern konsequent eigene Wege gehen.

Nach dem verheerenden Erdbeben von Lissabon im Jahre des Herrn 1755 mit rund 50.000 Todesopfern schrieb Voltaire sein Buch “Candide oder der Optimismus”. Darin setzt sich der religionskritische französische Philosoph auf satirische Weise mit der These auseinander, die Menschheit würde in der besten aller vorstellbaren Welten leben, in der letztlich doch alles zum Besten ihrer Bewohner abläuft. Der Protagonist namens Candide und sein Lehrer Pangloss erleben in dieser Geschichte ein Unbill nach dem anderen. Vor allem letzterer hält aber trotzdem unbeirrt an einem zwanghaften Zweckoptimismus fest, es sei schon alles irgendwie gut so. Candide selbst findet am Ende zu einer realistischen Weltsicht und verbringt den Rest seines Lebens mit Gartenarbeit.

Voltaires Novelle passt hervorragend in unsere Zeit und in dieses Land. Da kann geschehen, was will und dennoch glauben weiterhin viele regierungskritische weil freiheitliche Patrioten in Deutschland, man müsse nur nett genug sein, nur weit genug auf seine Gegner zugehen, nur alle Akteure mit nicht ganz blütenweißer Weste aussortieren, nur fest genug an das Gute in jenen glauben, die einem alle Übel dieser Welt an den Hals wünschen, eben die Hand nur weit genug ausstrecken – dann würden die auf der anderen Seite ihren bedauerlichen Irrtum endlich erkennen und sich zur konstruktiven Zusammenarbeit bereitfinden. Der Traum, eines Tages doch noch für satisfaktionsfähig erkannt zu werden, kann bei ausreichend gutem Willen am Ende nur wahr werden, oder?

Was also kann man tun, um den unbelehrbaren Gläubigen an das Gute im System ihren gefährlichen Irrtum auszutreiben? Zum Beispiel ihnen die freilich mühsame Lektüre eines anderen Buches empfehlen, nämlich der Schrift “Wir” aus der Feder von Frank-Walter Steinmeier. Angelegentlich des 75. Jahrestages der Verkündigung des Grundgesetzes sowie des 35. Jahrestages des Mauerfalls entwirft der Bundespräsident darin sein Bild von der Geschichte Deutschlands und noch schlimmer – auch von dessen Zukunft. Uns wird auf 142 Seiten ein bemerkenswerter Einblick gewährt in die durchaus krude aber den herrschenden Zeitgeist bestimmende Gedankenwelt nicht nur Steinmeiers, sondern der gesamten Elite dieses merkwürdigen Staates.

Tatsächlich ist nicht alles falsch oder abzulehnen, was der vormalige Linksextremist da im Schloss Bellevue mit hoffentlich letzter Tinte (um Günter Grass zu bemühen) zu Papier gebracht hat. Doch diese wenigen Zugeständnisse an seine Kritiker verblassen neben den von Transformationsideologie triefenden Kernaussagen Steinmeiers. Vieles ist auch schlichtweg dumm und ahistorisch, mithin intellektuell peinlich. So behauptet er tatsächlich, im 21. Jahrhundert gäbe es keine homogenen Nationalstaaten mehr und fragt dann raunend, ob solche überhaupt je existiert haben. Ergo negiert er mit dem deutschen Volk als ethnische Gruppe in einer multiethnischen Welt auch eine speziell deutsche kulturelle Identität, postuliert stattdessen das bunte Nebeneinander vieler Identitäten, die sich aus der jeweiligen Herkunft speisen würden.

Die deutsche Geschichte – welche das Buch im Kapitel “Woher wir kommen” abhandelt – ist in Steinmeiers Gedankenuniversum erst ab 1945 eine positive Erzählung. Vorher war nur Düsternis, alles nur eine Abfolge unterm Strich böser Ereignisse, die einen vorgezeichneten Weg pflasterten, der geradewegs zur Wannseekonferenz führte. Bismarck wird dem Leser als eine Art grausamer Diktator geschildert, der alles verbot und unterdrückte, was ihm bei seinen imperialen Plänen im Wege war. Dass in die Ära des eisernen Kanzlers das Reichspressegesetz fällt, mit dem 1874 erstmals in Deutschland die Pressefreiheit festgeschrieben wurde – geschenkt. Von all den anderen kulturellen, wissenschaftlichen, technischen und ökonomischen Errungenschaften ganz zu schweigen.

Positive Gedanken will der präsidiale Autor mit jener deutschen Nation, die noch das Wort “Reich” im Namen trug, auf keinen Fall verbinden. Der Deutsche hat das Böse nämlich seit jeher bereits in den Genen, denn “Auschwitz war kein Betriebsunfall”, wie Steinmeier schreibt. Deswegen müssen die Deutschen umerzogen werden, entweder von fremden aber benevolenten Mächten oder eben von Politikern wie ihm selbst. Seiner besonderen Fürsorge bedürfen hier vor allem die Ostdeutschen. Zwar hätten diese schon bei den Montagsdemonstrationen 1989 in Leipzig und anderswo an nichts anderes als die EU gedacht, seien inzwischen ob all der vielen notwendigen Veränderungen aber müde und erschöpft.

Freilich könnte man Steinmeiers Ergüsse genauso ignorieren wie das Machwerk seiner Parteigenossin Sawsan Chebli. Ich empfehle die Lektüre von “Wir” nichtsdestotrotz und zwar weil es noch dem wohlmeinendsten nichtlinken Leser die Augen öffnen müsste, dass mit den derzeit herrschenden Eliten keinerlei ideelle Gemeinsamkeiten bestehen. Die wären aber notwendig, um im Einvernehmen mit ihnen eine politische Wende für Deutschland herbeizuführen. Schon der Titel des Buches spaltet. Wer von “Wir” redet, meint dann auch “die”, mithin jene, die nicht zu diesem Wir gehören. Daraus macht dieser Bundespräsident auch gar keinen Hehl, wenn er zu seinem Wir letztlich nur jene zählt, die seine Sicht der Dinge teilen. Das gipfelt in dem semantisch verqueren Satz, Deutscher könne nur sein, wer Auschwitz bezeugt.

Wir schlussfolgern daraus, dass jede Hoffnung auf einen Modus Vivendi mit den Steinmeiers dieser Republik vergeblich sein muss. Jener hat nun ein Buch darüber geschrieben. Andere sind da durchaus plumper aber eben auch gerade heraus, wenn zum Beispiel Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch mal eben dekretiert, AfD-Wähler – immerhin mehrere Millionen Bürger – hätten in der Kirche eigentlich nichts zu suchen, müssten ergo rausgeschmissen werden. Soll man sich als Patriot solchen Leuten fürderhin weiter an den Hals werfen und um deren Gunst buhlen? Sicher nicht! Stattdessen kann die Konsequenz nur sein, ihrem Wir unser Wir entgegenzusetzen – mitnichten exklusiv aber an klare Bedingungen geknüpft, für jene, welche die Seite wechseln möchten.

Unser Wir umfasst alle, die ihr deutsches Heimatland lieben und die großartigen Leistungen sowie das Erbe unserer Vorfahren wertschätzen, ohne dabei auch die dunklen Seiten einer mehr als tausendjährigen Geschichte aus dem Blick zu verlieren. Nicht um einen Schuldkult soll es dabei gehen, sondern um die richtigen Lehren für eine gedeihliche Gegenwart und Zukunft. Unser Wir heißt willkommen, wer die kulturelle Identität des deutschen Volkes nicht verleugnet, sondern für kommende Generationen bewahren möchte. Unser Wir schleppt nicht wie Steinmeier Dönerspieße durch die Welt und verkauft sie anderswo als “neues deutsches Nationalgericht”, sondern erfreut ausländische Besucher oder Gastgeber voller Stolz mit Zeugnissen unserer eigenen Kultur als deren Beitrag zur allenthalben erhaltenswerten Vielfalt der Menschheit.

Kurzum: Wenn es dafür einer Spaltung bedarf, dann soll es so sein. Nehmen wir Steinmeiers Angebot an, lassen folglich ihn und seinesgleichen ihrer Wege ziehen. Nur eben ohne uns. Wir bleiben in Deutschland.

Holger Arppe

Holger Arppe

(Jahrgang 1973) ist Vorsitzender des Vereins Küstenwende - Freiheitliches Forum e.V.

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