Warum die israelische “Drecksarbeit” im Iran nicht im deutschen Interesse ist

Iran vs Israel
Ein Ende der Mullahherrschaft im Iran sehnen viele Menschen auf der ganzen Welt herbei. Deren Zusammenbruch hätte höchstwahrscheinlich auch Folgen, die keineswegs im deutschen und europäischen Interesse liegen. Eine ehrliche und von Illusionen freie Kalkulation ist daher nötig.

Es gibt wohl nicht viele im Westen, die das Mullahregime im Iran mögen. Allein schon dessen Repräsentanten – finstere Greise in schwarzen Gewändern – sind alles andere als Sympathieträger. Es ist also verständlich, wenn ausländische Beobachter mit den höchst umstrittenen Angriffen Israels auf die Islamische Republik auch die Hoffnung verbinden, die seit 1979 herrschende Theokratie möge unter den Luftangriffen der IDF zusammenbrechen. Denkt der bestenfalls nur oberflächlich mit den Verhältnissen zwischen Levante und Hindukusch vertraute Bürger derart, ist das lässlich – nicht aber bei Politikern, in deren Händen die Zukunft Deutschlands und Europas liegt.

Es sollte uns daher zutiefst besorgen, wenn Bundeskanzler Merz allen Ernstes verkündet, die Regierung in Tel Aviv würde die “Drecksarbeit” für uns erledigen. Wer in dieser Position neben dem Krieg in der Ukraine einen weiteren militärischen Konflikt nachgerade begrüßt, noch dazu in der wohl explosivsten Region der Erde, ist entweder ahnungslos oder bösartig. In dem einen wie dem anderen Fall ist er völlig ungeeignet für seinen Job als deutscher Regierungschef.

Als solcher hat er einzig und allein die Wohlfahrt des deutschen Volkes im Auge zu haben. Ob die Menschen im Iran die Diktatur der Ajatollahs loswerden, mag man ihnen von Herzen gönnen, allein es kann der fromme Wunsch kein Kriterium für unsere Außen- und Sicherheitspolitik sein. Insofern muss die Frage nüchtern erörtert werden, ob die militärischen Aktivitäten Israels gegen Teheran und deren mögliche Folgen, also ein dadurch beförderter Regime-Change in ehemals Persien, tatsächlich im Interesse Deutschlands und Europas liegen.

Was wäre wenn? Natürlich kann alles ganz so ablaufen, wie es sich Außenpolitiker vom Schlage einer Annalena Baerbock in ihren Bullerbüträumen so ausmalen. Die Mullahs werden gestürzt und mit freundlicher Unterstützung aus Berlin und Brüssel wählen die Menschen im Iran zielsicher eine neue, demokratische Regierung. Vielleicht kehrt sogar der Sohn des von Ruhollah Chomeini gestürzten Schahs aus dem Exil zurück und bringt den Glanz der in Europa seit jeher faktenwidrig idealisierten Monarchie zurück. Auf dem Golestanpalast im Herzen Teherans weht die Regenbogenfahne und im Schatten des Freiheitsturms feiert die erste Pride-Parade die Einführung der Ehe für alle.

Freilich bleiben das wirre Imaginationen westlicher Phantasten. Viel realer ist die Gefahr, dass der Iran den traurigen Weg seiner Nachbarländer Irak und Afghanistan einschlagen wird, mithin als Failed State, als gescheiterter Staat endet. Das beklagenswerte Schicksal so vieler Länder nach dem sogenannten Arabischen Frühling sollte eigentlich eine Mahnung sein, keinesfalls von außen anderen Völkern das Glück bringen zu wollen. Dies umso weniger als der Iran ein multiethnisches Konstrukt ist, dessen Bestandteile beinahe zwangsläufig zum Spielball fremder Mächte würden. Hinzu kämem religiöse Friktionen zwischen der schiitischen Mehrheit und den rund 10 Prozent der Sunniten.

Im Iran leben neben Persern vor allem Aseris, Kurden, Araber, Turkmenen und Belutschen aber auch eine beachtliche Zahl christlicher Armenier, die ihren Glauben weitgehend ungestört praktizieren können. Daraus ergibt sich die Wahrscheinlichkeit ethnischer Konflikte, die das Land auf Dauer zu einem permanent schwelenden Unruheherd machen würden. Der türkische Präsident Erdogan im Bunde mit dem aserbaidschanischen Diktator Alijew könnte beispielsweise die im Norden Irans lebenden Aseris und Turkmenen seinen neo-osmanischen Großmachtambitionen dienstbar machen und gegen die Zentralregierung in Teheran aufhetzen. Sowohl in Ankara wie auch in Baku träumt man unter dem Motto “viele Staaten – eine Nation” von einem imperialen Block aller turkstämmigen Völker zwischen Bosporus und Karakul.

All das dürfte dann wohl auch zwangsläufig Saudi-Arabien auf den Plan rufen, das sich von der schiitischen Expansion bedroht sähe und diese zurückzudrängen suchte. Niemand kann vorhersagen, wie sich Peking und Moskau in einer solchen Situation verhalten würden. Immerhin hätte ein staatlicher Zusammenbruch im Iran auch Auswirkungen auf den unmittelbaren Hinterhof Russlands, nämlich die Kaukasusregion. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass das Mullahregime die letzte verlässliche Schutzmacht Armeniens ist, der ältesten christlichen Nation der Welt. Ohne Rückendeckung aus Teheran wäre die Existenz der kleinen Republik in ernster Gefahr, deren südlichen Teil sich Aserbaidschan nur allzu gerne einverleiben will. Vor allem handelspolitisch motivierte iranische Drohungen in Richtung Baku haben das bislang verhindern können.

Die USA, selbst in einer wirtschafts- und finanzpolitischen Krise, wären mit einem weiteren Großkonflikt am Persischen Golf wohl überfordert. Dies umso mehr, wenn China die Gelegenheit ergriffe, um im Schatten von Ukrainekrieg und iranischem Zusammenbruch das renitente Taiwan endlich heim ins Reich der Mitte zu holen.

Ein Ende der inzwischen seit 46 Jahren bestehenden Islamischen Republik würde also keineswegs zu mehr globaler Stabilität führen – im Gegenteil. Das Machtvakuum könnte den ölreichen Iran erst recht zu einer kaum kontrollierbaren Heimstätte für alle möglichen Terrorgruppen und Warlords werden lassen, ähnlich wie in den Nachbarstaaten Irak und Afghanistan. Kaum auszudenken, wenn diese in den Besitz von nuklearem Material gelangten, über das die Mullahs ja angeblich bereits verfügen. Erhebliche negative Auswirkungen auf die Ölproduktion und den damit verbundenen Welthandel durch politische Instabilität, Terror und Piraterie entlang einer der wichtigsten Schifffahrtsrouten wären die Folge mit unkalkulierbaren Konsequenzen für die deutsche und europäische Wirtschaft.

Freilich bliebe es dabei nicht. Die deutsche Regierung würde mit großer Wahrscheinlichkeit viele Milliarden Euro in der Region versenken, so wie jetzt schon in der Ukraine und anderen Weltgegenden. Vor allem aber würden weitere Menschenmassen sich auf den Weg nach Europa und damit letztlich nach Deutschland begeben, um Chaos, Gewalt und Elend in ihrer Heimat zu entkommen. Kaum vorstellbare Migrationsströme würden sich in unsere Richtung ergießen. Niemand bei klarem Verstand kann so etwas für wünschenswert halten.

Fazit: Man mag den Menschen im Iran einen politischen Wandel von Herzen gönnen, kann diesen aber nicht herbeibomben. Bei all dem besteht vielmehr die Gefahr eines unkontrollierbaren Zusammenbruchs hin zu einem Failed State und damit einer dauerhaften Destabilisierung der gesamten Region. Kaum kalkulierbare Folgen für die Weltwirtschaft, globaler Terror und gewaltige Flüchtlingsbewegungen nach Europa wären zu erwarten. Einen Großteil der direkten und indirekten Kosten hätte der deutsche Steuerzahler zu tragen. All das muss man einpreisen, wenn man Israel zu seiner “Drecksarbeit” beglückwünscht.

Paul von Beckendorf

Paul von Beckendorf

Paul von Beckendorf (Jahrgang 1984) ist als Autor und Berater tätig. Seine Beiträge befassen sich vor allem mit den Themen Reisen und Religion. Hin und wieder kann er aber auch zur aktuellen Politik nicht schweigen. Paul lebt in Mecklenburg.

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